War for Talents – Fachkräfte gewinnen, sichern und die Aufgabenstruktur anpassen – die Personalpolitik von morgen!
Der Fachkräftemangel in Deutschland spitzt sich weiter zu. Rekrutierungsmethoden werden aggressiver bei gleichzeitig steigender Mitarbeiterfluktuation. Unternehmen stehen auf dem Prüfstand und werden sowohl von außen als auch zunehmend von innen bewertet und müssen der Fluktuation entgegenwirken, aber auch lernen mit ihr zu leben.
Die Deutsche Industrie verzeichnet nach wie vor ca. 1 Million unbesetzte Stellen. In Berlin will man nun mit Lockerungen im Zuwanderungsgesetz dieser Situation entgegen wirken. Zwar setzen einige unserer europäischen Nachbarn darauf ihre eigene Arbeitslosenquote zu Lasten der Auswanderungsquote zu verbessern, jedoch kommt dieser Prozess nur schleppend voran. Das Goethe Institut verzeichnete in 2011 einen Zuwachs an Neuanmeldungen für Deutschkurse in Griechenland, Italien und Spanien von bis zu 70% mehr als im Vorjahr. Doch einerseits dauert es seine Zeit unsere Sprache zu lernen und andererseits sind viele Unternehmen für eine effiziente Integration ausländischer Kräfte nur unzureichend ausgerichtet.
Der Kampf um die Fachkräfte hat eine neue Ebene erreicht. Es findet ein Rollentausch der klassischen Stellung von Werbenden und Bewerbenden statt. Unternehmen werden zunehmend durch Bewerber geprüft und nicht umgekehrt. Die Güte der dabei zugrunde liegenden Informationen ist derart durchdringend, dass eine Außendarstellung mit falschen oder geschönten Tatsachen schnell entlarvt werden kann. Es sind nicht nur die rapide wachsenden Plattformen zur Arbeitgeberbewertung die das ermöglichen, sondern auch indirekte Wege über soziale Netzwerke, mit einer stark begrenzten Möglichkeit der Einwirkung von außen. Der erste Ansatz zur Personalpolitik von morgen lautet:
1. Neue Fachkräfte durch echte Anreizpakete gewinnen
Erste Voraussetzung dafür sind attraktive und nachhaltig gelebte Unternehmenskulturen. Sozialkompetenz muss in den Unternehmen gelebt werden und von Mitarbeitern erlebt werden und darf nicht länger nur in bunten Broschüren aufgeführt sein. Nur wer emotionale Intelligenz besitzt kann diese auch richtig deuten und verstehen. Bei den Bewerbungsverfahren von heute und morgen stehen sich ebenbürtige Partner gegenüber, die den Ausgang des Gespräches gemeinsam entscheiden, indem sie primär die gegenseitige Sozialkompetenz prüfen.
Denn die Fachkompetenz sollte aus Unterlagen hervorgegangen sein und zwischen den Zeilen eines Gespräches lediglich noch Bestätigung finden.
Der Bewerbermarkt wird zunehmend zu einem Kundenmarkt, d.h. Unternehmen müssen immer mehr erkennen, welche Anforderungen Bewerber an das Unternehmen richten. Zentrale Frage ist, verfügen wir über die erforderlichen Kompetenzen, um uns auf einem enger werdenden Bewerbermarkt behaupten zu können und haben wir die richtigen Strukturen und Konzepte. Der Aufwand der betrieben wird um die Identifikation und Ausarbeitung von Unique Selling Propositions (USP) und Key Performance Indices (KPI) hinsichtlich Produkt und Prozess zu erreichen, gilt es heute auch für die Mitarbeiterauswahl zu betreiben. Beide Faktoren sind ja auch Grundpfeiler einer gesunden Organisationsstruktur.
Folgende Fragen gilt es zu beantworten:
- Übertragen Sie ausreichend Verantwortung an richtiger Stelle?
- Bieten Sie genug Flexibilität hinsichtlich der Arbeitsinhalte und der funktionsübergreifenden Bewegungs-freiräume innerhalb des Unternehmens?
- Stellen Sie die Deckung von Wissen, Können und Wollen sicher – also, dass Kompetenz an der richtigen Aufgabe wirken und sich dort auch entfalten kann?
All das sind Schlüsselfragen!
Deren Antworten entscheiden darüber, ob ein Unternehmen ein begehrter Arbeitgeber ist oder nicht. Häufig wird der Fehler begangen, konzeptionelle und strukturelle Defizite mit der Höhe von Gehältern zu verwechseln bzw. ausgleichen zu wollen. Ein attraktives Gehalt ist sicherlich ein wichtiger Anreizpunkt. Doch ist es alles was ein Mitarbeiter an Anforderungen hat? Ein zufriedener Mitarbeiter wird auch bei einem 10% niedrigeren Gehalt verglichen zum Marktwert nicht ins Ungewisse wechseln, wo hingegen ein mit 10% höher vergüteter, jedoch unzufriedener Mitarbeiter sich früher oder später sagen wird „Das ist es nicht wert“. Im erbitterten Kampf um zusätzliche Fachkräfte gilt es die Aufmerksamkeit auf die bereits im Unternehmen vorhandenen zu lenken. Hier spielt die Zufriedenheit ebenso eine Rolle wie das Erfordernis potentiell mangelnde Kapazitäten mit einem effektiveren Einsatz auszugleichen.
Oft geraten somit im Zuge des Wachstums und der Bemühungen zur Neurekrutierung die Fundamente eines jeden Unternehmens ins Wanken: die vorhanden Fachkräfte. Finden diese kein offenes Ohr für ihre Themen und Probleme werden sie schnell selbst zu Kandidaten für den Stellenmarkt. Sie werden meist dort mit offenen Armen empfangen, wo es am meisten schmerzt: bei der Konkurrenz. Gleiches gilt für Mitarbeiter, die an den ihnen zugeteilten Aufgaben nicht wachsen können, sodass sich eine dauerhafte Unzufriedenheit ausbreiten kann. Headhunter werden schnell aufmerksam und schrecken vor keiner Methode zurück, um eine Vermittlung erfolgreich abzuschließen. Auch dort wo Unternehmen keinen Zugang haben – in den sozialen Netzwerken.
Und je besser jemand qualifiziert ist, desto mehr gilt heute: Freunde werben Freunde.
Umso einfacher wird es, wenn der Kandidat zudem aktiv sucht.
63% aller Kündigungen durch den Arbeitnehmer werden nach eigenen Angaben aufgrund von Differenzen mit dem direkten Vorgesetzten eingereicht. Der dadurch entstandene Schaden ist unproportional um ein Vielfaches höher. Denn während die „Investition“ in einen neuen Mitarbeiter im Schnitt erst nach über einem Jahr ihren Breakeven erreicht, steht der Verlust eines erfahrenen Leistungsträgers, der zudem ein über Jahre gewonnenes Corporate-Know-How besitzt, in keinem Verhältnis
2. Sichern und Fördern vorhandener Fachkräfte
Damit wären wir beim zweiten Strategieansatz der Personalpolitik angekommen.
Dies muss im Einklang mit der Kompetenz und dem inneren Antrieb des jeweiligen Mitarbeiters, aber auch mit den zu stellenden Herausforderungen stehen. An dieser Stelle sollten Sie sich fragen:
- Haben Sie eine klare Übersicht der Fähigkeiten Ihrer Leistungsträger?
- Können Sie mit Zuversicht sagen, dass diese an der richtigen Aufgabe wirken?
Sollten Sie diese Fragen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht mit Ja beantworten können, so gewinnt die Frustration Oberhand. Dies wird übrigens gleichermaßen beim Leistungsträger selbst – als logische Konsequenz aber auch bei seinem Vorgesetzten passieren. Findet hingegen ein Abgleich der Kompetenz mit der Aufgabenstruktur statt, so kann dies vermieden werden. Etwaige Unstimmigkeiten müssen gelöst werden, denn nur dann kann eine Erfüllung des Identitätsverständnisses beim Verantwortlichen erzielt werden. Auf diese Weise wird eine Steigerung der Leistung und damit der Effizienz aus Sicht der Prozesse erreicht. Das Ergebnis sind reibungslose Abläufe und eine deutliche Erhöhung der Kapazitätsauslastung. Bis hier her haben wir nun den menschlichen Faktor berücksichtigt und dessen Wirkung auf vorhandene Aufgaben. Doch letztendlich möchten wir ja, dass die Aufgaben an der Verantwortungsstruktur wachsen!
3. Adaptive Funktionsstruktur
Der dritte Ansatz vollendet nicht nur die strategische Ausrichtung, sondern bietet bei frühzeitiger Anwendung Pionier- und damit Wettbewerbsvorteile. Gegen eine Entwicklung am Markt zu agieren ist nur so lange sinnvoll, wie sich nicht abzeichnet, dass sie zu einem neuen Zustand gereift ist. Wenn Berufseinsteiger heute in ein Unternehmen eintreten, sind die Chancen eher gering, dass sie für die kommenden 40 Jahre dort tätig bleiben. Wir müssen also akzeptieren, dass der Arbeitsmarkt einen neuen Zustand erreicht, welcher sich zu einem bestimmten Anteil unserem Einfluss schlicht und ergreifend entzieht.
Nicht nur, dass die durchschnittliche Verweildauer von Fachkräften und High Potentials in einem Unternehmen auf 2-4 Jahre gesunken ist, was im Volksmund bekannt ist als „Job-Hopping“, viel mehr hat bereits eine Weiterentwicklung des neuen Zustandes begonnen, wie wir es in einer ähnlichen Form aus China kennen: die EU-weite Wanderschaft der Arbeitskräfte.
Es hat einer Schuldenkrise in Europa bedurft, damit die Europäer von ihrem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht der freien Wahl des Arbeitslandes Gebrauch machen. Diese Veränderungen bieten demjenigen Chancen, der sich rechtzeitig darauf einstellt. Einerseits gilt es die gesamte Funktionsstruktur entlang der Wertschöpfungskette adaptiv und fluktuationsunabhängig zu gestalten, andererseits sollte die Funktion selbst so ausgelegt sein, dass ihre Übernahme durch einen neuen Verantwortlichen – unabhängig seiner nationalen Herkunft – zügig und ohne hohen Ressourceneinsatz das Erreichen der Laufgeschwindigkeit des Unternehmens ermöglicht.
Fassen wir also die drei Strategieansätze und deren Kernhebel zusammen:
- Anreizpakete für neue Kräfte bündeln aus:
- Vergütungsmodell
- Aufgabenstruktur
- Social Identity
- Vorhandene Kräfte durch proaktives Kompetenz-Matching und Steigerung der organisations-strukturellen Flexibilität im Unternehmen sichern und durch zielgenaue Qualifizierung weiterentwickeln.
- Gestaltung einer adaptiven Funktionsstruktur, die wertschöpfungsorientiert und unabhängig vom Individuum ausgelegt ist. Entkopplung von regionaler und kultureller Diversität und Weiterentwicklung zu uniformen Standards, um ausländische Kräfte schneller zu integrieren und für Zuwanderungsmobilität innerhalb der EU kompatibel zu sein.
Die Unternehmen, die verstanden haben, dass ein Kampf gegen die neue Arbeitsmarktstruktur aussichtlos ist und es vielmehr darum geht sich frühzeitig an die geforderte Flexibilität anzupassen werden den Schritt in die Wandelbarkeit erfolgreich meistern.
Alle anderen sollten sich darauf einstellen mittelfristig vollständig automatisierte Prozesse zu haben, da sie Gefahr laufen, künftig ohne qualifizierte Anwender da zu stehen.
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